VOM FLUSS KAMA BIS AN DEN SCHARTASCH-SEE

15. bis 21. September 2021

Ochansk. Foto: © Frank Gaudlitz

15. und 16. September 2021

Ochansk ist eine kleine Stadt am rechten Ufer der Kama mit einfachem Grundriss und parallel verlaufenden Straßen. Ich habe es nicht in das Museum geschafft; es war an beiden Tagen aus unverständlichen Gründen geschlossen, so dass ich nicht in der Lage war, wichtige Einzelheiten herauszufinden.

Die Abkürzung nach Perm, die etwa siebzig Kilometer lang ist, führt über eine Fähre; die Alternative entlang des Flusses umfasst mehr als 120 Kilometer.

Der Wasserstand des Flusses ist im Laufe des Sommers gesunken, und am Ufer ist ein mit Schlamm bedecktes Flößerholz zu sehen.

Perm. Foto: © Frank Gaudlitz
In Perm
Foto: © Frank Gaudlitz

Wir kamen in Perm an, einer Stadt, mit der ich, der Sohn von Geologen, nur eine einzige Assoziation verbinde – die Permzeit. Humboldts Reise ist in Perm gut bekannt, zumindest im Regionalmuseum für Heimatkunde. Die Urheberschaft des Begriffs »Permzeit« war umstritten. Hier wird es traditionell Roderick Murchison zugeschrieben, der sich jedoch selbst auf Humboldt als Autor beruft.

Wir besuchten Werchnije Mully, das ehemalige Anwesen des Grafen Polier, in dem Humboldt und seine Begleiter wohnten, bevor sie nach Perm kamen. Jetzt ist es das Industriegebiet der Stadt. In seinem Zentrum befindet sich das Administrationsgebäude. Die gern gesehenen Nachbarn: eine Bank, die Kirche, die Polizei, das Gericht und die Steuerverwaltung. Die Gebäude sind chaotisch angeordnet, die Straßen sind durch Verwaltungsschranken blockiert oder führen in Sackgassen.

Perm, zersägte Flugzeuge in Werchnije Mully. Foto: © Frank Gaudlitz
Perm, zersägte Flugzeuge in Werchnije Mully
Foto: © Frank Gaudlitz

In Werchnije Mully sahen wir zersägte Flugzeuge: Unternehmer, die Flugzeuge entsorgen haben ein kleines Museum eingerichtet. Futuristische Stapel mit aerodynamischen Formen sind schon von der Straße zu sehen und ziehen Aufmerksamkeit auf sich.

Mikhail Popov, der Besitzer des Museums, zeigte ein deutsches TRÜBGER-Klavier aus derer Hamburg Vorkriegszeit. Seine Großmutter hatte es vor vielen Jahren in einem Second-Hand-Laden gekauft. 1945 soll ein hochdekorierter Offizier das Instrument unter anderem als Trophäe aus Berlin mitgebracht haben. Mikhail ist bereit, es den Nachkommen des ersten Besitzers zu übergeben, dessen Namen er zu finden hofft.

17. September 2021

Kungur. Foto: © Frank Gaudlitz
Kungur
Foto: © Frank Gaudlitz

Vorbei an den industriellen Vororten von Perm mit ihren lodernden Schornsteinen und Fackeln erreichten wir auf der in Stand gesetzten Straße bald Kungur. Die Stadt ist ein interessanter Ort mit vielen Kontrasten. Vom Hochufer des Sylwa Flusses hat man eine schöne Aussicht.

Im Heimatmuseum und im Antiquitätengeschäft »Zeitmaschine« habe ich deutsche Gegenstände gesehen; die damit verbundenen Geschichten sind manchmal traurig.

Nicht weit von Kungur am Ufer der Sylwa befindet sich der Ermak-Stein, ein Kalksteinfelsen aus Ablagerungen der Permzeit. Der Weg dorthin ist holprig und langsam. Der Ermak bietet einen Blick auf die Sylwa und ist bei Touristen und Bergsteigern beliebt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses verläuft eine Eisenbahnlinie, auf der lange Güterzüge verkehren. Ein starkes Echo breitet sich über dem Wasser aus und der Ort ist wenig für ruhige Übernachtungen geeignet.

Ich habe die Höhle bei Kungur besucht, die von Reiseführern »Eishöhle« genannt wird, weil der Anfang des 1,5 km langen Ganges das ganze Jahr über vereist ist. Humboldt und seine Begleiter haben die Höhle nicht gesehen, da sie keine Führer finden konnten.

18. September 2021

Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
Bykowo. Foto: © Frank Gaudlitz
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Das Dorf Bykowo, durch das Humboldt reiste und welches heute von der Autobahn Perm-Jekaterinburg umfahren wird, erwies sich als interessant. Die Holzhäuser entlang der Traktovaja-Straße sind vielfältig (der Name zeigt, dass das Dorf an einer großen Straße – einem Trakt – lag). Einige der Bauwerke stehen auf Erdfundamenten, andere auf Sandsteinfundamenten. Im Falle von zwei Eigentümern eines Hauses ist die Vielfalt noch größer. Jede Wohnung und jeder Hof zeigt eine eigene Welt. In der Mitte des Dorfes befindet sich ein kleiner Park mit einer Holzkirche auf Sandsteinfundamenten und zugemauerten Fenstern. Sowohl der Park als auch die Kirche sind schon seit einigen Jahrzehnten verlassen.

Entlang des Weges gibt es viele riesige Felder, die gepflügt sind. Umgestürzte schwarze Erdschichten glitzern in der Sonne. Die Felder werden von goldenen Birkenhainen eingerahmt.

Wir verbrachten die Nacht in der Arbeiterstadt Perwouralsk. Bei einem Telefonat mit dem Eigentümern der angemieteten Wohnung erfahre ich, dass Fremdarbeiter oft lange Zeit in der Stadt Quartier. Ein guter Anfang.

19. September 2021

Perwouralsk. Foto: © Frank Gaudlitz
Perwouralsk
Foto: © Frank Gaudlitz

Morgens sind nur sehr wenige Autos auf den Straßen von Perwouralsk unterwegs. Eine Stadt der Arbeiterklasse. Eine sehr praktische Stadt. Die Architektur ist einfach: Kisten zum Wohnen, zum Schlafen – in den meisten Fällen sogar sowjetisch. Schon Straßennamen zeugen von den Anfängen der Stadt: Straße der Stahlveredlungsarbeiter, Straße der Stahlwalzer … Viele Straßen und Wege sind gekrümmt, bedingt durch ein hügliges Relief. Der Bau eines Innovationszentrums in Form eines auf der Seite liegenden Fasses zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Am Eingang zur Stadt stehen vier riesige Schornsteine eines Wärmekraftwerks. Je nach Windrichtung wird ihr Rauch zur Stadt oder von ihr weg geleitet. Auch weitere Unternehmen befinden sich in der Stadt und sondern Rauch ab.

In der Stadt gibt es ein Denkmal »Europa-Asien« in Form einer 25 Meter hohen Steinsäule, nicht weit davon entfernt eine Quelle mit der gleichen Aufschrift und eine Cafékette »Eurasia«. Man spürt, wie sich die Kontinente berühren.

Wir fuhren hinaus zur Siedlung Bilimbay. Der Navigator führte zu einer riesigen Kirche, deren Unterhalt die Kraft einer kleinen Gemeinde übersteigt. Die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit. Daneben stehen eine Traube von Denkmälern: ein Soldat mit Budjonowkamütze und ein Soldat des Großen Vaterländischen Krieges – »Ewiger Ruhm den Helden, die für ihr Vaterland kämpften«, ein neues Denkmal aus schwarzem Stein – »Den Bilimbajewiten, den Helden von Tschernobyl« und ein hölzerner Grenzpfosten mit dem sowjetischen Wappen. Etwas weiter in der Straße befindet sich eine Mauer mit Steinplatten, die die Namen der Bewohner, die im Großen Vaterländischen Krieg gefallenen sind, tragen. Die Inschrift »Keiner ist vergessen, nichts ist vergessen« kann nur vermutet werden. Die Buchstaben sind aus schwarzem Klebeband, viele sind abgefallen. Auf der anderen Seite der Kirche befindet sich ein großer Kalksteinblock mit einer Steintafel, die eine kurze Geschichte des Kirchengebäudes beschreibt. In der Nähe steht eine Metallkapelle mit einer Kuppel und einem Kreuz, auf das die Figur eines kleinen Mädchens blickt. Die Kapelle beherbergt eine Trinkwassersäule.

Pater Michael in der Siedlung Bilimbay. Foto: © Frank Gaudlitz
Pater Michael in der Siedlung Bilimbay
Foto: © Frank Gaudlitz

Im Inneren des Kirchengebäudes befindet sich auf einer Tafel die Suchanzeige der Enkelkinder des langjährigen Priesters Pater Sergius, der hier in den 1920er bis Anfang der 1930er Jahre wirkte. Der jetzige Priester, Pater Michael erzählte, dass es bisher keinen Hinweis gebe. Es ist ist lange her, niemand ist mehr am Leben.

Auf dem Weg nach Jekaterinburg, entlang des Moskowskij Trakts, eröffnet sich plötzlich ein imposantes Bild: Millionen von Tonnen weißer Materie, die in Form von Hochhäusern errichtet wurden. Nach den wenigen kargen Dörfern mit ihren an den Boden gedrückten Holzhäusern und den Arbeitersiedlungen spürt man die Annäherung an die große und reiche Hauptstadt des Urals.

In der Shorsa-Straße konnte man leicht eine Wohnung mieten.

20. und 21. September 2021

Am Shartash-See. Foto: © Frank Gaudlitz
Am Schartasch-See
Foto: © Frank Gaudlitz

Wir fuhren in Richtung des Schartasch-Sees, den Humboldt zur Trockenlegung empfahl. An den Ufern befindet sich der »private Sektor«. Es gibt viele Villen aber auch ältere Häuser. Das Tor einer im Bau befindlichen Villa bewachten zwei Betonlöwen. Darüber breiten Adler ihre Schwingen aus. Gegenüber stehen ärmere Holzhäuser, manchmal rostige Autos. In den Straßen gibt es Wasserspender, die von den Bewohnern der einfachen Häuser genutzt werden. Wir sahen einen Mann, der Kanister mit Wasser füllte; er drückte mit dem Fuß auf den Wasserhahn und schaute dabei auf sein Smartphone. Der See ist mit einer Fläche von über sieben Quadratkilometern kein kleiner See. Am Ostufer, wo wir ankamen, hatte der Wind bunten Schaum angespült.

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